Brief an OB-Czisch mit ❤️

beantwortet

Von 19.02.2024

Lieber Gunter Czisch,

Es freut mich, dass sie diesen Winter das Tannheimer Tal zur Erholung genießen durften.Witziger Weise war es in meiner Kindheit das Hauptwanderurlaubsziel meiner Familie.
Ich habe aus der SWP erfahren, dass Sie
von General Sollfrank für besondere Leistungen für gemeinsame europäische Sicherheitspolitik ausgezeichnet wurden.
Da ich mich gerade mit dem neuen Buch von Herfried Münkler “Die Welt im Aufruhr, die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert” beschäftige, freut mich das umso mehr. Denn bei der Lektüre und in Rezeption der Tagespolitik -heute läuft eine deutsche Fregatte gen Golf von Aden aus- wird mir wieder klar, wie wichtig ein sicherheitspolitischer Rahmen für das europäische Integrationsprojekt ist, der über den Kontinent hinaus weist.

Europa von Unten, Ulm von Oben?

Mit Alfred Grosser ist nach Helmut Kohl und Giscard de Estaint am Mittwoch ein weiterer großer öffentlicher Europäer verstorben.
Es ist in seinem wie meinem Auge eine allgemein europäische aber spezifisch deutsche Aufgabe die Interessen des israelischen wie des palästinensischen Volkes in besonderer Weise zu unterstützen. Allein schon wegen dieser Aufgabe beneide ich unsere Außenministerin nicht.Mir erscheint es aber im lokalen als im nationalen immer mehr zu einer Polarisierung zu kommen, welche immer weniger Raum für freidenkende und mitfühlende Menschen lässt.

Die Flamme bewahren

Zu dem Ulmer Dingen. Ich habe mich mit aus friedenspolitischen Gründen dazu entschieden, für das Amt des Ulmer Oberbürgermeisters zu kandidieren, aber auch weil meine Partei sich zuvor in Flügelkämpfen auch im KV Ulm vorher beinahe selbst zerstört hat und ich die Flamme bewahren will, nicht die Asche.
In meiner teilnehmenden Berichterstattung des Ulmer Wahlkampfs 2023, sind mir außer der durch Verbandsmacht besetzten Podien und der in grundlegenden Dingen zunächst kaum erkennbaren Unterschiede zwischen den parteipolitisch organisierten Kandidaten auch viele positive Eigenheiten der Ulmer Bürgerschaft aufgefallen.
Zum Beispiel deren Wehrhaftigkeit, ihr Standesbewusstsein und ihre Bildung.
Ebenso hat sich so manches Ressentiment von mir, wie das die oberen 10000 sich gegen abweichende Meinungen, welche ihre Pfründe in Frage stellen mit allen legalen Mitteln wehren, bestätigt. So waren alle Kandidaten auf den Ulmer Podien, außer Herrn Langhans und einem sich differenziert positionierenden Herrn Ansbacher für die weibliche IRIS aus Ulm.

Demokratie braucht Vielfalt

Die Podiumsbesetzung durch etablierte Ulmer Verbände hätte man, als um die Einheit besorgter Demokrat von um Ulm herum, noch hinnehmen können. Im engen Endspurt, als nur noch 3 Männer und Lena Schwelling im Rennen waren,sind mir aber auch Machtmissbräuche des Kartellparteiensystems(Katz u. Meir) untergekommen, gegen die ich zivilen Ungehorsam leisten musste.

Ich erinnere an erster Stelle an das Podium, welches im November im Gleis 44 im ulmer Dichterviertel stattfand. Organisatoren waren das Gleis 44 und ein Ring der Jugendorganisationen der etablierten Parteien, also außer die Linke und die AfD. Ebendieser Ring hat unlängst die Großdemonstration gegen die AFD mitorganisiert. Herr Daniel Langhans wurde als offiziell von der Stadt Ulm anerkannter Kandidat nicht eingeladen. Das auf Virtualisierung, Selbstdarstellung und kürzeste Beitragszeiten ausgelegte Format stieß Ihnen ja sichtlich auch auf. Und ohne mein Insistieren auf Einhaltung der selbstgesetzten Thematisierungsregeln für Publikumsfragen übers Handy wäre dieser Sachverhalt verschwiegen worden.
Der Sprecher sagte: “Leute die den Klimawandel leugnen laden wir nicht ein.”

Vielfalt und Feine Unterschiede

Ich persönlich teile Herrn Langhansens Meinung über den Klimawandel als Verschwörung der herrschenden westlichen Klassen im Sinkflug herab von der wirtschaftlichen Hegemonie nicht. Das Meinungsfreiheit aber ein Grundrecht ist, ist keine Meinung sondern eine rechtliche Faktizität, über diese Zusammenhänge können Sie ja jetzt befreit von der Bürde der Macht mit mir und anderen zur Sprache kommen.
Ich habe Sie als einen äußerst kompetenten, streitbaren und sympathischen Kandidaten für die nächste Amtszeit des Ulmer OB kennenlernen dürfen. Un ich habe sie nach vielen Diskussionen teils vorne gesehen, war sogar kurz davor mich öffentlich für Sie auszusprechen. Am Ende hat aber Herr Ansbacher mit seinem bürgernäheren Wahlkampf und auch mit Hilfe der Linken obsiegt.
Ich habe den Versuch von Herrn Langhans die Wahlergebnisse anzufechten wie das Regierungspräsidium Tübingen für unbegründet abgelehnt.
In der Zeit um das Fest der Liebe herum, habe ich mir ihren letzten Auftritt in der Wahlkampfzeit nochmals angesehen. Dort haben sie den Psalm 23 beim Adventsliedersingen vor dem Haus der Begegnung rezitiert. Danach wurde überraschend ihr Rivale zum Bürgermeister gewählt.Er sagte, sichtlich überwältigt und ehrlich , er müsse erst mal ein Wasser trinken, dass ihm nicht die Beine weg krachen. Sie waren an diesem 17. Dezember nicht da.

Vielleicht ist es in dieser Zeit der Wiederkunft autoritärer Regime ein gutes Zeichen, dass der schwächere unter den starken Kandidaten ohne die Hilfe der grünen Kandidatin-die bis zuletzt für keinen der verbliebenen Kandidaten eine Wahlempfehlung ausgesprochen hatte- obsiegt hat.

Für den Frieden kämpfen

Für den Frieden kämpfen erscheint vielen als Paradoxon. Ihre Position im Vorwort zu den Ulmer Friedenswochen, dass man für den Frieden sehr wohl kämpfen muss, hat mir damals schon eingeleuchtet.
Der Friede hat aber meines Rrachtens erst dann eine Chance, wenn man sich dem höheren Gesetz,mag es das der großen Zahl oder vorherrschenden Stimmung und Meinung geschlagen gibt. Nicht aber ohne weiterhin für die eigene Sache zu kämpfen. Im Podium des Stadtjugendrings sagten Sie: “Die Menschen müssen ein Dach über dem Kopf haben, egal vorher sie kommen, dass gehört zum christlichen Menschenbild.”

Viel Feind, viel Ehr?

Lassen Sie uns in diese Zeit großer Umbrüche weiterhin lokal handeln und groß denken, so wie das Ulmer Münster von Meistern geplant, von Fachmännern gebaut und von Bürgern finanziert wurde.
So muss es auch mit dem Frieden sein.
Armen und Reichen ein gemeiner Mann zu sein, wendet Schaden von unserem schönen Ulm ab. Nicht am längeren Hebel sitzend die Armen gegen die Ärmsten auszuspielen, wie es der werdende Oberbürgermeister ihnen vorgeworfen hat. Wie man es auch der AfD oder den Grünen vorwerfen kann.
Reichen wir uns in dem christlichen Glauben, dass der Herr unser Hirte und uns reichlich versorgt, die Hände.
Vielleicht hat in der internationalen Stadt
An der Lebensader Europas heutzutage die Schwörformel einen anderen, umfassenderen Sinn bekommen.
Unser “Landesvater” hat
einst vielleicht mit folgendem Satz
vorausgedeutet: “Ein Republikaner ist nicht nur einer der weiß wo er herkommt, sondern auch einer der weiß wo er hin will.” Ich wollte nie Brandmauern, weil ich nicht glaube dass man Feuer mit Feuer bekämpfen kann. Das Land meines Vaters “der Libanon”- das ich dieses Frühjahr besuchen wollte- gerät jetzt ins Visier der Krieger und ich sehne mich nach Natur und Gesprächen zur Verständigung. Denn die Öffentlichkeit hat mir zu viele Meinungen und zu wenig Haltung. Oder wie sehen sie das, befreit vom Licht der Öffentlichkeit?

Termin:

Große Gunter-Czisch Ehrenveranstaltung mit Winfried Kretschmann, 26.02. 18 Uhr, Roxy, Schillerstraße 1, Parkplätze frei


(Daniel Baz, OB-Kandidatschaftsanwärter und Berichterstatter des Wahlkampfs im Herbst 2023, Heroldstatt, Mitte Februar 2024)

Author: farounfirewater

Ich bin der Falke im Sturm der den König sucht. "Ich lebe mein Leben in sich weitenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn, Den letzten, ich weiß nicht ob ich ihn Vollbringe, aber versuchen will ich ihn Ich kreise um Gott um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang und ich weiß nicht, bin ich eine Falke, ein Sturm, oder ein großer Gesang" (Rilke)

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