Als man am Abend eines freundlichen Frühlingstages, zielgerichtet und doch gebadet in von Vogelschreien gesättigter Stille in Richtung Schertelshöhle Westerheim lustwandelte, erhob sich plötzlich Gesang aus einem tiefen grünen Trichter.Von wohlklingender Spur an die Treppen zu einer Höhle geführt durchschauerte einen der Flügelschlag von Fledermäusen über dem Notlicht der steilen Stufen drohend und zugleich lockend. Den Tritt führten fortan amorphe Lautmalereien, die auf der zweiten Treppe angekommen sich formten in die wohlvertrauten Zeilen; „Ain´t no sunshine when she´s gone.“ Vom Wind der Sehnsucht getrieben wurden die Schritte schneller und tänzerischer.
Hochromantische Höhlenmalereien
Die Höhlen-Halle: schroff steigen die grün-feuchten Felsen mit den Gesängen auf –Hohe Luft. Menschenumstanden ein Chor, das Rund einig still. In den Pausen der Weisen hört man die Tropfen auf die fließenden Steine prallen. Das Lied „Engel“ ertönt, alle Bilder von feurigen Rammstein-Konzerten und auch die der alten Hildegard Knef, die mit zerknautschten Berliner Stimme, welche die Brachialpoeten in ihrer „Cover-Version“, in den Schatten stellte, sind präsent.
Vom Höhlenverein Westerheim organisiert gibt der Hall der Schertelshöhle dem Geviert der Sänger aus Nötzingen, welche sich „Quavoco“ nennen einen mystischen Touch; Man verzeihe dem Schreiber die Zuwiderhandlung, denn myein, heißt altgriechisch eigentlich unsagbar.
Solistisch völlig zurückgenommen und an ihr „Erstes Mal“ in der Höhle hingegeben rhythmisieren und tonisieren, die „Wagidaus“ aus Ulm mit Gitarre und Percussion die bärenstarken Vokalisten. Die Musiker sind ganz Ohr, ganz Chor, ganz Werkzeug der überwältigenden Magie der sonderbaren Situation. Es ist fast dunkel, einer schreit nach Licht, da geht wie zum Trotz, auch das Notlicht noch aus.

Stattdessen: Verzweifelte Erzählungen von dsüchtiger Schlaflosigkeit und dem schleichenden Poröswerden der Nerven im atemlosen Asphalttempo des Alltags durch Gundula Folkerts.
Aufatmen in der Waldesnacht
In die Stille schwebt Brahms Waldesnacht: „Waldesnacht du wunderkühle, die ich tausend Male grüß’. Nach dem lauten Weltgewühle, o, wie ist dein Rauschen süß!“
Eine aufatmenlassende Atmosphäre kräuselt wie Weihrauch auf der Tragfläche des „Bootes“ der tiefsten Worte und Töne der deutschen Romantik im Tauchgang – Ein westerheimer, und das heißt, ein zutiefst lebensbejahendes Höhlengleichnis.

Heftige Träume überdecken den noch immer süßlich verwesenden Leichnam des Verzückungstückes „Sweat Dreams“ von den Eurythmics . Und dann durchschneidet die populäre Festtagsmusik des Stückes „Ein Hoch auf uns“ von Andreas Bourany den Knoten aus zum Fließen gebrachtem Lavagestein deutschen Sänger-Geistes. Sieghaft heiter wie die Sonne beim Sieg Deutschlands damals bei der Fussball-WM, lohnt sich die tiefschürfende Arbeit der “Höhlenmeister” für alle. Dann wird es persönlich mit dem Frohsinn einer aus Ruhe und wohltemperierter Gelassenheit gemachten Höhlenbärenseele, stimmt Alexander Kneer das „Höhlenführerlied“ an und alle singen mit: „Frisch von der Kehle, es lebe die Schertelshöhle.“
Das brahmsche Nachbeben
Und die Waldesnacht ob bei der „Wanderung“ nach Hause, oder beim hochprozentigen Höhlenwasser ein Stockwerk höher, bebt noch nach von den perfekt verorteten Zeilen:
„Waldesnacht du wunderkühle, die ich tausend Male grüß’.
Nach dem lauten Weltgewühle, o, wie ist dein Rauschen süß!
Träumerisch die müden Glieder berg’ ich weich in’s Moos,
und mir ist, als würd ich wieder all der irren Qualen los.
Fernes Flötenlied, vertöne, das ein weites Sehnen rührt,
die Gedanken in die schöne, ach, mißgönnte Ferne führt.
Laß die Waldesnacht mich wiegen, stillen jede Pein,
und ein seliges Genügen saug ich mit den Düften ein.
In den heimlich engen Kreisen wird dir wohl, du wildes Herz,
und ein Friede schwebt mit leisen Flügelschlägen niederwärts.
Singet, holde Vögellieder, mich in Schlummer sacht!
Irre Qualen, löst euch wieder, wildes Herz, nun gute Nacht!“