
Der Samstag Abend begann ganz nach dem Gusto der Veranstalter.Um halb Elf nach dem Deutschlandsieg war das Zelt immer noch recht voll. Und der Abend sollte im Zeichen des Gesangs stehen, die Westerheimer Musiker s sangen gerade “Du bist das Land dem ich die Treue halte…” Vom Siegestaumel tonisiert wollte man” Du bist mein Schland, dem ich die Treue halte…” singen. Ein brausender Abend in dem die Kapellen wie Flutwellen zu einer der beiden Bühnen und von ihr wieder zurück ebbten. Kaum waren die blauen Westerheimer fertig schon kam eine “Flutwelle” blauer Feldstetter angebraust. Kaum hatten die konzertanten Blasmusiker unter Wolfgang Hörrle einen Sitz auf der linken Bühne, schon ließen sie die flotten “Les Humphrey in Konzert” vom Stapel. Schon zuvor hatte sich ein harter Kern von brassbegeisterten Sontheimer Musikern auf der gegenüberliegenden Bierbankgarnitur postiert. Auf der Bühne am Ende des Zeltes sammelte sich jetzt eine junge Kapelle in rot, die Donnstetter. Manche wussten vom 175. Geburtstag des dortigen Liederkranzes noch, welch tiefe Verwurzelung der Gesang in diesem idyllischen Dorf im alten Keltenland hat. Dank der genialen Organisation des Musikvereins Sontheim konnte man programmatische Lieder wie “Die Vogelwiese” von Ernst Mosch auch als nicht Insider der Volksmusik mitsingen. Zu der allgemeinen Animation “Das Bier im Zelt war gut und herrlich kühl, darum trank der Franz viel zu viel…” wurde aus den Reihen der Musiker noch eine biertechnische Konkretion hinzugefügt.”Berg-Bier ist ein Traum in Gold. Die unterstützen jeden Musikverein und das ist ganz wichtig, prustete Paddy ein ennabeurer Musikant gegen die laute Musik an.
Rock mi Misses Melancholie
Die Donnstetter transferierten ihre rote Kleidung nun auf der hinteren Bühne in ihre Performance. Bei “Rock mi” von Voxx-Club beschwörten sie nach Bier und Musik die drittes Quintessenz einer geilen Blasmusikparty die fesche Maid. “Schau mir in die Augen Kleine, du bist a ganz a Feine, rock mi heut Nacht.” Wer auf diese Idee umringt von seiner peergroup bisher noch nicht gekommen war, schaute jetz mit ganz anderen Augen in das Fesch(t)zelt, wo man die verdeckten Sterne in den Mädchenaugen finden konnte. Aber trotz allem feiern bleibt die Melancholie das tiefste der Gefühle und das würdigten die Donnstetter und ihr zauberhaftes Sängerpärchen mit einer sauberen Interpretation “Über sieben Brücken musst du gehn.” Auch in den Dimensionen einer Feieratmosphäre ist es so das nicht nur mit Breite und Höhe, sondern auch mit Tiefe der Resonanzraum geräumiger wird. Alt und Jung saßen, standen, schwoften und tranken gegen 23.00 Uhr im Rahmen des Samstagabends der 90 Jahresfeier der Musikvereins Sontheim. Der beinhaltete eine Bar in der sich Lenninger und Westerheimer, ja sogar Ennabeurer und Sontheimer, um die Shots und Spritzer vereint, näher kamen.

Einigkeit, Geschlecht und Freiheit
Ein Beispiel der konkreten Poesie von Jonny Bührle, der direkt an der ehemaligen Dorfhüle einen Steinwurf entfernt wohnt: “Mit Kraft und Gwalt wirds ausgeführt und wenns es passt wird Kitt nei gschmiert. Ihm gefiel der Abend heute besser als gestern wo es seiner Meinung nach “etwas verzwonga” war. Wenn Musiker zusammen kämen sei es einfach lockerer. Ein unzensiertes Dokument des Zugs zum Tor junger Musikanten soll nicht unüberliefert bleiben: “Es maust die Maus, es bärt der Bär, es lebe der Geschlechtsverkehr.” In der Bar wurde es einen wahrlich heiß und als man sich bei den hoffähigen Musikern abkühlen wollte, bliesen die Ennabeurer auf der hinteren Bühne einem den ” Spirit of 69″ entgegen. Widerstand schien sinnvoll aber zwecklos.Der Musikverein Hülben mit seiner reizenden nasenbepiercten Queerflötistin legte sich nun mit den Ennabeurern an. Die organisierte Sexualisierung war auch hier das zu blasende Horn. Auf eine Reise ins Rotlichmileu verführten die Hülbener mit “Skandal um Rosi” was noch von der gestrigen “Volksmusikiade” im Ohr lag.Die von Michael Girk aus Böttingen besungene “Böhmische Liebe” setzte der musikalischen Torte die Sahne auf.Man darf sich auf morgen Abend freuen, wenn Girk zusammen mit den Böttingern noch mehr Wohlklang aus seiner Kehle erklingen lässt. Die “Fankurve” der Sontheimer quotierte mit Mitsingen und frenetischem Applaus. Was gab es auf dieses “Surfbrett” der Hülbener für eine Antwort? Die verwegenen Ennabeurer mit Jonas an der Perkussion gaben kurzerhand in “Let´s twist again”eine Einladung zum “Gummitwist” aus.
Alte Freunde treffen
Jonas schildert mir seine Erfahrung vom gestrigen Abend.”Wir waren zusammen bei Freuden vorglühen, dann bin ich hergekommen und es waren 20 Leute da. Danach hat es sich aber noch als ein geiler Abend erwiesen. Heute ist es noch besser, viele Blasmusiker kommen zusammen, man hat ein geiles Fest im geilen Sontheim. Jetzt rund um die Mitternachtsstunde, saßen noch Feldstetter gemütlich beisammen und schwätzten ohne großes Wollen und Drängen im milden Kraftfeld des Mondes.”Selig wer sich vor der Welt, ohne Haß verschließt, einen Freund am Busen hält und mit ihm genießt”, viel mir da ein Schnipsel von Goethe ein, dessen Trinkaufforderung “Ergo Bibamos” in Fuck-You-Göthe-Zeiten wohl nicht mehr so schnell von den Animatoren von Großveranstaltungen von den Bühnen geprustet werden wird. Das Steigerungsspiel zwischen Ennabeurern und Hülbenern ging übrigens durch “Das was ich will bist du” zu Gunsten der Erben der Kelten aus. Westerheimer balgen sich, bauen ihre Instrumente zu unerhörten Quietschen um, tanzen wie Rasputin mit jungen und alten Frauen und scharen wie Weinstöcke die weiblichen Reben um sich Zum Abschluss nach 1 Uhr versammeln sich die 8 Kapellen nochmals zur Darbietung der zwei beim “Marsch zur Einheit” gespielten Lieder. Das Liebesband, das sich zwischen den einzelnen Teilen dieses Elementarteilchenbeschleunigers für menschliche Antriebsüberschüsse verborgen gebunden wurde wird am besten abgebildet in dem Lied: “Wir Musikanten”, deshalb soll es hier auch ganz abgebildet werden:

“Wir Musikanten,
vereint durch Spiel und Gesang,
sind befreundet ein Leben lang.
Und Musikanten
ist Harmonie pur im Blut.
Musik die tut uns echt gut.
Um nach 1 Uhr ich raus Luft schnappen, die Feldstetter sitzen noch immer wie ins Firmament eingelassen, ich bin schon viel länger da als ich geplant hatte.Ein weißer Bus fährt ab. Es waren die Westerheimer. Auf einmal fällt das Kraftfeld des “Hula Palu” zusammen. Es ist 1.33 Uhr und der Rest ist verschlafen.

Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.(Johann Wolfgang von Goethe, An den Mond)