Jedes Nein ist ein Ja zu dir selbst

 Von der Kunst Freiheit und Bindung auszubalancieren

DSC00103Fast ausschließlich weibliche Gäste durfte die Vorsitzende der Heroldstatter Landfrauen Margarete Schrems-Kiefer zu dem Vortrag „Nein-Sagen- wie schaffe ich das?“ im Steußlinger Saal der Berghalle Heroldstatt begrüßen. Durch den Abend führte mit einer Powerpointpräsentation die Logotherapeutin Elena Pfarr. Wie nein sagen? Die Landfrauen hatten sich das in Ihrem Kreis schon öfter gefragt und kurzerhand eine Expertin eingeladen um ihre Frage zu beantworten. Die Unterdrückung des Willens durch ein übergeordnetes Sollen wenn man nicht mehr nein sagen kann verdeutlichte sie anhand eines Gedichtes von Peter Turrini: „Das Nein das ich endlich sagen will ist hundertmal gedacht still formuliert nie ausgesprochen. Es brennt mir im Magen nimmt mir den Atem wird zwischen meinen Zähnen zermalmt und verlässt als freundliches Ja meinen Mund.“ Sie wünsche, so sagte sie, dass die im Gedicht beschriebene Situation auf niemanden im Saal zutreffe. Es verdeutliche aber gut, dass die Kompetenz nein zu sagen bei der Selbstsorge des Menschen eine wichtige Rolle einnehme. Denn nur wer nein sagen könne, könne auch wirklich ja sagen und das bedeute auf sich zu hören Prioritäten zu setzen und die Konsequenzen der eigenen Entscheiungen zu tragen. Aber warum? Freiheits- und Bindungfähigkeit seien mit die wichtigsten seelischen Ressourcen eines ausgeglichenen Menschen. Leider seien sie zusammen nur sehr schwer zu haben.

Die Schwierigkeit zum beherzten Nein rührt aus dem Konflikt zwischen Bindungs- und Erfolgsorientierung

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Schon der Junge der im Laden unbedingt einen Kaugummi will steht in diesem Konflikt.Wirft er sich quengelnd auf den Boden, oder verzichtet er, wenn Mami ihn nicht kaufen will? Freiheit in einem praktischen Sinn sei es in Situationen eine Wahl zu haben, Bindung die Verantwortung, dass für einen Selbst und die Lieben gesorgt ist. 95% unseres alltäglichen Handelns seien aber durch unbewusste Muster gesteuert, die auf über Jahre erworbenen Erfahrungen beruhten, ineinander geschachtelt wie eine russische Puppe. Und diese führten zu spezifischen Erwartungen, wie zum Beispiel, dass man mit Ja-Sagen immer auf der sicheren Seite sei; oder aber der entgegengesetzten, dass man viel zu wenig Zeit habe um auch noch Mehrarbeit zu machen. Oder aber der Auffassung, das man ohne gesunde Erfolgsorientierung zu nichts komme. Grundsätzlich gebe es zwei Typen von Menschen, die Ja-Sager und die Nein-Sager. Die Ja-Sager seien meist bindungsorientiert und es befänden sich überdurchschnittlich viele Frauen in diesem Personenkreis.Engagierte Frauen wie die Landfrauen seien ein gutes Beispiel. Die Nein-Sager seien meist freiheits- und zielorientiert unter ihnen fände man mehr Männer als Frauen, Pfarr wählte für diese Personengruppe das Bild des Adlers. Antwortverhalten in sozialen Situationen basiere immer auf Erfahrungen und unbewussten Bewältigungsstrategien. Es gebe gute Gründe in sozialen Situationen eher Ja als Nein zu sagen, stellte Pfarr fest.Ein Nein könne beispielsweise dazu führen, dass man nicht mehr dazu gehöre oder das man mit negativen Konsequenzen zu rechnen habe. Zumindest könne man solche Erfahrungen gemacht haben und aus diesen heraus unbewusst eine Strategie des Ja-Sagens anwenden.Beispielsweise weil man einmal einen Job verloren hat, weil man unbezahlte Mehrarbeit dauerhaft abgelehnt habe. Man könne sich aber, und das sei ihre Aufgabe als Psychologin, an dieser Stelle auch bewusst machen woher ein Ja-Sage-Verhalten rühre, welches einem langfristig Kraft und Zeit raube und das eigene Verhalten den konkreten Gegebenheiten in aktuellen sozialen Situationen anpassen.

In welchen Bereichen fällt Ja-Sagen schwerer in welchen leichter?

Hier gebe es einen bunten Strauß verschiedener Mittel und Wege. Auf den spannenden und mit anregenden Bildern untermalten theoretischen Teil lies die Logotherapeutin eine praktische Übung folgen. Sie verteilte Arbeitsblätter auf denen verschiedene Bereiche im beruflichen und privaten Umfeld wie beim Vorgesetzten oder Kollegen, oder beim Partner oder den Kindern aufgelistet waren, auf denen die Zuhörer aufschreiben sollten ob das „Nein“ dem einen oder anderen gegenüber leichter oder schwerer fälle. Wenn man nämlich einmal die Kontexte und Handlungspartner herausgefunden habe, bei denen ein Nein schwer falle könne man an konkreten Werkzeugen arbeiten um seine Reaktionsweisen abzuändern.

Wenn man beispielsweise herausgefunden habe man könne einem Kollegen, aufgrund seiner charmanten Art zu bitten keinen Bitte abschlagen, sonst habe man mit dem Nein-Sagen aber weniger Probleme, dann könne man beim nächsten Gespräch achtsam darauf sein wie er sich verhalte, wenn man seine gewinnende Art im Gespräch thematisiert- sich aber zunächst einmal eine Bedenkzeit ausbittet, um zu überlegen ob man ihm helfen kann. Weiter wies Elena Pfarr darauf hin, dass man manchmal für sich selbst betriebsblind sei und auch andere Personen darum bitten sollte einen in Situationen zu beobachten, in denen man seinen unerwünschten Mustern verfällt. Jetzt wo man ein gewisses Verständnis für die eigene Verhaltensweise erlangt habe, könne man dem Gegenüber nun selbstbewusster entgegen treten. Aus gewohnheitsmäßig festgefahrenem Handeln werde dann die Möglichkeit gemeinsam zündende Ideen der Problemlösung zu finden. Denn es gebe immer mehr als ein Entweder-Oder. Wenn man erst einmal den Zeit-Raum erschlossen habe welcher sich durch Selbsterkenntnis zwischen der Anfrage des Anderen und der eigenen Reaktion eröffnet, staue man nicht mehr durch unreflektierte Ja-Sage-Reaktionen negative Emotionen an um den Erwartungen des Anderen zu entsprechen, sondern könne klar und von Herzen entscheiden. Das meinte wohl auch der Familientherapeut Jesper Juul mit seiner Aussage: „Nein ist die liebevollste aller möglichen Antworten… denn erst wer Nein sagen kann, kann auch von Herzen Ja sagen.“ Um in die Achtsamkeit mit den eigenen Gefühlen beim Ja- oder Nein-Sagen zu kommen, sei es wichtig auf seinen Körper zu hören, dazu übten, von der Logotherapeutin angeleitet, die Anwesenden sich in einem entspannten Zustand schwierige Situationen beim Nein-Sagen vor Augen zu führen und abzuspüren ob sie dabei besondere Körpergefühle hätten.

Geduld ist ein Weg mit Vor und Zurück und Hin und Her

Wichtig sei beim Üben auf dem Stuhl und im Alltag Geduld und Nachsicht mit sich selbst und anderen zu haben, wenn man wieder zurückfällt. Um zu verdeutlichen wie zäh und widerspenstig eingefahrene Gewohnheiten sind, wenn man sie ändern will las sie zum Schluss einen Lehrtext eines tibetischen Meditationsmeisters vor. Dieser fällt auf seinem Weg mehrmals in ein tiefes Loch. Zuerst weißt er jede Schuld von sich und fühlt sich ohne Hoffnung und braucht ewig um wieder raus zu kommen. Beim zweiten Mal tut er so als ob er das Loch nicht säe, fällt doch wieder hinein und ist fassungslos erneut unverschuldet am gleichen Punkt zu sein. Beim dritten mal fällt er sehenden Auges wieder in das Loch, aus Gewohnheit, nimmt die Schuld auf sich ,und kommt leicht wieder heraus. Bis der Erzähler der Geschichte das Loch auf dem selben Weg umgehen kann und er schließlich eine andere Straße geht, braucht es fünf Anläufe.Damit ermutigte Pfarr dranzubleiben, auch wenn die ersten Versuche das eigene Sozialverhalten zu verändern noch nicht von Erfolg gekrönt würden.

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Author: farounfirewater

Ich bin der Falke im Sturm der den König sucht. "Ich lebe mein Leben in sich weitenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn, Den letzten, ich weiß nicht ob ich ihn Vollbringe, aber versuchen will ich ihn Ich kreise um Gott um den uralten Turm und ich kreise Jahrtausende lang und ich weiß nicht, bin ich eine Falke, ein Sturm, oder ein großer Gesang" (Rilke)

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